Ich glaube an das Gute im Menschen

Lieber Herr H. aus Ae., Sie nennen mich einen «Gutmenschen». Weil ich kürzlich in meinem Kommentar zum Asylbewerberzentrum Aeschiried nicht in die menschenverachtende Hetze einstimmen mochte, bin ich für Sie also nach Definition ein «linker, naiver Weltverbesserer.» Sie sind nicht der Erste, der mich einfach so abqualifiziert. Das passiert mir und anderen Gutmenschen oft, wenn wir Probleme optimistisch, solidarisch mit menschen-freundlichen Lösungen angehen wollen.
Was kann denn schlecht daran sein, ein Gutmensch zu sein – und was kann denn gut daran sein, ein Schlechtmensch zu sein? Diese philosophische Frage beschäftigt mich nach Reaktionen wie jener von Ihnen, Herr H., jeweils nachhaltig – und ich komme nächtelang ins Grübeln:
«Schlechtmenschen sind eigentlich Bösmenschen. Mit ihrem Dauergejammer und ihrer Angst- und Miesmacherei führen sie all ihre Mitläufer-innen und -läufer von Frust-, Wut- und Dummmenschen in die Irre – nicht sachlich differenziert, sondern verlogen undifferenziert; und vor allem effizient nur auf ihren eigenen Vorteil fokussiert.
So betrachtet sind die Bösmenschen auch Weltverbesserer, aus ihrer Sicht natürlich! Ihr Ziel ist es, ihre ganz persönliche, egoistische, auf Reichtum und Macht fokussierte Welt zu verbessern. Der beste Beweis dafür ist die Tatsache, dass die Reichen immer reicher und weniger werden und die Armen immer ärmer und mehr.
Die globalen Folgen des Bösmenschentums sind zum Beispiel all die Kriege: Geschürt wurden und werden sie durch Hass, Zwietracht und Neid säende Führer. Die Welt der grossen Masse haben die Kriege aber noch nie ver-bessert, dafür die Welt der Mächtigen und vor allem deren Kontostände. Oder zum Beispiel die Völkerwanderungen von Arm zu Reich: Die Drittwelt-ländler fordern in der Tat doch nur ein, was ihnen in der Kolonialzeit und heute von den Wirtschaftsmächtigen gestohlen worden ist und wird. Geradestehen dafür muss jetzt aber die breite Masse – sie bezahlt dafür emotional und mit barer Münze.
In diesem Sinn ist das Asylbewerberzentrum auch eine Folge der Bös- menschen und ihrer Mitläufer – und auch anderes, was im Oberland beschäftigt: Ihre weltverschlechternde Sparwut ist schuld daran, dass die Geburtenabteilung im Spital Zweisimmen geschlossen wird, dass Schulen, Ämter, Postschalter und anderer Service public in die Städte zentralisiert werden.
Gutmenschen würden für eine bessere Welt auch etwas mehr Steuern zahlen – deshalb, lieber Herr H. aus Ae., pflege ich das Gute in mir und den Menschen!
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer

Nei! – Ehrlich?

«Nei! – Ehrlich?» Wenn meine Liebste die beiden Wörter derart verwendet, dann ist es mir wieder mal gelungen, sie aufs Korn zu nehmen – ich muss vielleicht noch vorausschicken, meine Frau ist extrem gutgläubig und sie glaubt ganz fest an das Gute im Menschen.
Also, jüngst hat sich bei uns mitten in der Nacht folgendes abgespielt: Da hat mich der Lui, unser Kater, vom Charakter her das lebende Abbild von Garfield, aus dem Schlaf gerissen. Was er im Fall fast jede Nacht tut, weil ihn entweder die Blase oder die Hormone oder das Tüfeli plagen. Lui’s Masche ist die, dass er den Korbstuhl neben dem Bett als Wecker missbraucht, indem er mit seinen Krallen solange das Geflecht malträtiert, bis eben meine Liebste oder ich nachgeben – weniger wegen dem Lärm, aber viel mehr aus Angst, dass er das schöne Stück noch vollends in seine Einzelteile zerlegt; der Rüpel! In besagter Nacht habe ich mich also wieder mal geopfert und den Lui widerwillig rausgelassen. «Was ist los?Was hast du gemacht?», fragte mich meine Liebste schlaftrunken, als ich ins Bett zurücktorkelte. «Ich habe den Lui viergeteilt und ihn aus dem Fenster ge-schmissen», entgegnete ich ganz spontan. Und schon tönte es prompt und ziemlich entsetzt aus dem Kissen heraus: «Nei! – Ehrlich?»
Herrlich war auch jenes Episödeli, als wir mal an einem kalten Winterabend über die lange, schnurgerade Stock-hornstrasse in Steffisburg fuhren. Da hat es aus allen Gullys so richtig fett gedampft. «Guck», hab ich zu ihr gesagt, «da haben offenbar grad alle Steffisburgerinnen und Steffisburger» – sie legt übrigens sehr grossen Wert darauf, dass ich -innen und -er sage und schreibe – «auf einen Schlag ihr Badewasser abgelassen…» Sie schaut mich mit grossen Augen an und sagt erstaunt: «Nei! – Ehrlich?»
Bruno Stüdle, Reporter

PS: Meine Liebste hat diesen Kopfsalat übrigens gelesen und ihr Okay zum Abdruck gegeben.

Lenkerbeisser

Entweder geht Ihnen die Mit- und Umwelt am A… vorbei. Oder sie sind so leistungsverbissen, dass sie nur den Kilometerzähler und vielleicht noch die auf dem Lenker angeklebten Powerbarbissen* registrieren. Oder sie haben ihre Leistungsgrenze derart über den roten Bereich hinausstrapaziert, dass sie völlig versauert nicht mal mehr die Hand heben oder den Mund aufmachen können. Jawohl, auf diese drei Kategorien von Grussverweigerinnen und Grussverweigerern bin ich jüngst gekommen, als ich das Thema philosophierend um den Thuner- und Brienzersee geradelt bin.
Dass man sich beim Kreuzen freundlich grüsst, wäre nämlich so ein Usus unter radelnden Sportsfreundinnen und -freunden – und übrigens auch unter solchen auf Motorrädern, in Wanderschuhen und anderen aus den Sparten Sport und Spass. Gerade letzteren scheinen aber immer mehr Zeitgenos-sinnen und -genossen völlig verloren zu haben. Die kommen einem mit einer sauren Mine entgegen, als hätten sie ein ganze Zitrone verschluckt.
«Sälü! – scho so kaputtgfahre?» pflege ich ihnen dann jeweils nachzurufen. Wer weiss, vielleicht wirkt sich meine verbale Indikation gegen diese Miese-petras und -peters ja Mal motivierend auf deren Gruss- und Genussbereit-schaft aus…

*PS für Nichtinsider: Powerbar ist eine geschützte Marke. Gedacht sind die klebrigen, nicht wirklich feinen Ener-gieriegel für die schnelle Zwischenverpflegung beim Hochleistungssport. Und es gibt tatsächlich Radsportler –und es soll auch Radsportlerinnen geben –, die sich solche Riegelstücke in mundgerechten Portionen auf den Lenker kleben, damit sie keine Zeit mit Auspacken und Abbeissen verlieren.

Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling …

aber viele Vögel schon. Am liebsten sind mir die, die mich am Morgen fröhlichaus den Federn zwitschern und zurzeit frohlocken, dass die wär-meren Jahreszeiten ins Land ziehen.
Heute muss ich aber mal was über ganz andere Vögel loswerden: Auch sie treten mir mit zunehmenden Temperaturen vermehrt in Erscheinung. Wie Leser(innen) meiner Kopfsalate wissen, fahre ich ja vom Frühling bis in den Herbst mehrmals wöchentlich mit dem Rennrad von Steffisburg via Bucht nach Interlaken ins Büro und am Abend über Aeschi zurück nach Hause. Weniger, weil ich etwas grün bin, als vielmehr der Fitness und der Eitelkeit wegen – die Badisaison steht ja schliesslich auch vor der Tür …
Nun, zurück zu den anderen Vögeln: Ich meine die, die mir vor allem als Radler im mobilen Nahkampf fast täglich gezeigt werden – notabene von Tölpeln hinter Lenkrädern. Meistens sind es ja gerade die, die gar nicht checken, dass sie eigentlich im Fehler sind, und vor lauter Zetermordio und dem Vogelzeigen nicht nur mich, sondern auch andere Verkehrsteilneh-mende grob gefährden.
Als auch Gerneautofahrender bin ich mir sehr wohl bewusst, dass nicht nur auf vier und mehr, sondern auch auf zwei Rädern und zwei Füssen zu viel rumgehühnert wird. Ergo will ich hier nicht etwa einen Balzkampf zwi-schen den Verkehrsteilnehmen-den anzetteln. Im Gegenteil: Um das gegen-seitige Verständnis zu fördern, sollten Autofahrende mal eine Zeit lang Rad fahren und Radelnde mal wieder Auto fahren – Aha-Erlebnisse sind da garantiert. Und vermutlich auch, wenn Sie einen Moment lang über den unten stehenden Verkehrsregeln brüten.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer

Auszug aus den Verkehrsregeln: Grundsätzlich gelten für Radelnde gleiche Regeln wie für Motorfahrzeuglenkende – insbesondere was Ampeln, Trottoirs und Vortritt und v. a. kein Vortritt anbelangt!
Benützen mehrspurige Motorfahrzeuge und Radelnde denselben Fahrstreifen, so müssen die Motorfahrzeuge links, die Velos rechts fahren. Auf Fahrstreifen, die das Linksabbiegen gestatten, können Radelnde vom Gebot des Rechtsfahrens abweichen.
Überholen von Velos: Gegenüber allen Strassenbenützenden ist ausreichender Abstand zu wahren, namentlich beim Kreuzen und Überholen sowie beim Neben- und Hintereinanderfahren.
Der minimale Abstand, welche Fahrzeuge beimÜberholen eines Velos einhalten müssen, beträgt 1,5 Meter. Velofahrende brauchen links 1 Meter Freiraum aufgrund ihrer Silhouette und für Gleichgewichtsbewegungen. Sie sollen einen Abstand von 70 cm zum rechten Fahrbahnrand und von weissen Linien einhalten. Damit man sicher ist vor unvorhergesehenen Hindernissen und Gefahren wie Schachtdeckeln, Abfällen, Strassenunebenheiten und sich öffnenden Autotüren.
Vorbeifahren an Kolonnen: Radfahrende dürfen rechts neben einer Motorfahrzeugkolonne vorbeifahren, wenn genügend freier Raum vorhanden ist; das slalomartige Vorfahren ist untersagt. Sie dürfen die Weiterfahrt der Kolonne nicht behindern und sich nicht vor haltende Wagen stellen.
Im Kreisel gilt: Die von links kommenden Verkehrsteilnehmenden haben Vortritt, auch wenn sie erst in den Kreisel einfahren. Radfahrende sollen sich innerhalb des Kreisels in der Fahrbahnmitte bewegen und dürfen nicht überholt werden.