Hohn vom Bundesrat
«Die Schweizer Bevölkerung wurde seit 1970 durch direkte Steuern und obligatorische Abgaben kaum mehr belastet», verkündete gestern der Bundesrat in seiner Antwort auf ein Postulat aus dem Nationalrat.
Mag sein, dass die mit Zahlen aus Steuerparadiesen aufgepeppten Durchschnittsbelastungen zutreffen. Es mag auch sein, dass Grossverdienende à la Vasella und vieleicht auch à la Bundesrätinnen und Bundesräte die Mehrbelastung nicht spüren.
Spüren tun diese aber Otto Normalverbraucher und alle, die noch weniger zum Ausgeben zur Verfügung haben. Sie trifft die bundesrätliche Feststellung wie ein Hohn. Die Steuern mögen zwar – wenn auch auf hohem Niveau – stabil geblieben sein. Dafür werden wir von Väterchen Staat auf der Gebührenseite umso mehr gerupft. Seine Dienstleistungen, die früher gratis oder doch zumindest sozialverträglich günstig waren, werden immer mehr zum Luxusgut. Denn, was der Staat ohne «Mehrbelastung» bei den Steuern nicht reinbringt, holt er sich über neue oder höhere Gebühren rein. Jügstes Beispiel: die horrenden Wassertarife. Besonders betroffen davon sind die Familien. Bei den Steuern können sie gegenüber Einzelpersonen zwar mit Vergünstigungen rechnen, dafür spüen sie bei den Gebühren die laut Bundesrat «nicht existente Mehrbelastung» um das x-mal-Kindfache.
Aber das ist dem Bundesrat egal. Hauptsache, er kann jetzt guten Gewissens auch die Steuern noch etwas raufschrauben.
Bruno Stüdle, Reporter, 23. Januar 2003
Geits de no!?
Da packen sich zwei dreiste Jugendliche ihre Taschen mit Diebesgut voll. Aus Geschäften schleppen sie Kleider, Schuhe, Autoradios und andere Geräte gleich im Dutzend und im Wert von mehreren 1000 Franken ab.
Kleine Diebe wie sie machen in Thun öfters die Runde. Das beweist der Redaktionsfax: Fast täglich und oft auch täglich mehrmals spukt er Diebstahlalarmmeldungen von verzweifelten Chefs der Thuner Geschäfte aus. Bedeutend weniger zahlreich treffen auf dem Fax dagegen Erfolgsmeldungen der Polizei über geschnappte Diebe ein.
Gestern wars aber wieder mal so weit: Das Grenzwachtkorps Basel hatte in einer aufwändigen, mehrtägigen Aktion das erwähnte Diebesduo dingfest gemacht und es ordnungsgemäss samt sichergestellter Beute und hieb- und stichfesten Beweisen der Justiz in Basel übergeben.
Diese überweist die Diebe, wie es das Gesetz vorschreibt, ans Jugendgericht Berner Oberland – und vergisst die Angelegenheit. In Basel wissen zwei Tage später weder Polizei noch Staats-nwalt, wo das Duo ist. Auch die Kantonspolizei Bern und die Untersuchungsbehörden in Thun wissen es nicht. Und auch der «Empfänger», das Jugendgericht in Spiez, weiss es nicht. Was ich beim Recherchieren nicht zu glauben wage, entpuppt sich dann doch als Tatsache: Das dreiste Duo läuft schon wieder frei in Thun herum! «Wenn keine Fluchtgefahr besteht, besteht auch kein Haftgrund», so stehts im Gesetz …!?
Bruno Stüdle, Reporter. 05. September 2003
Den Nazi-Skins die Stirn bieten
Rückblende: Am vergangenen 17. Mai marschierten rund 2000 Personen am «Antifaschistischen Abendspaziergang gegen Rechtsextremismus» durch Thun mit. Was davon in Erinnerung blieb, ist die Tatsache, dass ein paar Dutzend linksextreme Chaoten in der Stadt Sachschäden in der Höhe von rund 180 000 Franken verursachten – das ist unverzeilich.
Unverzeihlich ist aber auch, dass das eigentliche Anliegen der Demonstrierenden wegen der Schadensbewältigung offenbar völlig in Vergessenheit geraten ist. Die zunehmende Gewalt von Skins, Neonazis, Nazi-Skins und wie die Rechtsextremen sonst noch genannt werden, blieb im wahrsten Sinn des Sprichwortes «links liegen».
Dabei wäre es an der Zeit, ein anderes Sprichwort dringend in die Tat umzusetzen: «Wehret den Anfängen» muss die Devise für die Polizei, die Politik und auch im Privaten heissen. Es darf doch nicht sein, dass uns ein paar rechtsradikale Einfaltspinsel – egal ob es 20 oder 150 sind – mit hohlen Sprüchen und Baseballschlägern einschüchtern.
Wir müssen den Rechtsextremen endlich die Stirn bieten: Nicht mit Gewalt und nicht anonym, sondern mit Verstand und Mut! Und die Opfer rechtsextremer Gewalt, indem sie Anzeige erstatten. Die Polizei, indem sie die auch ernst nimmt und publik macht. Die Antifa, indem sie aus ihrer Anonymität heraustritt. Und die breite Öffentlichkeit, indem sie nicht einfach wortlos an hakenkreuzverzierten Glatzköpfen vorbeimarschiert.
Bruno Stüdle, Reporter. 04. November 2003
Atomstrom ist eine Auslaufenergie
Jawohl! Atomstrom ist eine Auslaufenergie. Warum? Erstens A, weil bei einem so genannten «Zwischenfall» mindestens zwischenzeitlich nichts mehr läuft und bei einem GAU das jahrundertelange Blackout nicht nur für die Wirtschaft, sondern vor allem für Umwelt, Natur und Mensch droht.
Zweitens A, weil das Problem der Zwischenlagerung des Atommülls noch nicht gelöst ist und das Problem der Endlagerung vermutlich gar nicht gelöst werden kann.
Drittens A, weil das Risiko aus Erstens A und Zweitens A in den nächsten Jahren gar nicht mehr eingegangen werden muss – und darf. Dafür sprechen folgende Argumente:
Erstens B zeigt das Energieszenario IV des Bundesamtes für Energie auf, dass bis zum Jahr 2035 die Stromproduktion aller drei Schweizer Atomkraftwerke durch eine bessere Energieeffizienz der Wohn- und Geschäfts-häuser in den Bereichen Wärmedämmung, Heizen, Warmwasser und Beleuchtung ersetzt werden könnte.
Zweitens B könnte die von der Stromlobby prophezeite Stromlücke bis 2035 auch mit erneuerbaren Energien wie Wasser-, Solar-, Biomasse- und Wind-kraft geschlossen werden.
Dazu braucht es erstens C neben dem politischen Willen und der Innovationskraft der Schweizer Wirtschaft vor allem den Mut des Stimmvolkes, der Atomkraft abzusagen. Besinnen wir uns auf unsere viel gepriesenen Tugenden von Pionier- und Erfindergeist. Als Preis winkt nicht nur sauberer, sicherer und genügend Strom, sondern auch der wichtige Wissens-Vorsprung gegenüber dem Ausland und damit viele neue und nachhaltige Arbeitsplätze.
Zweitens C muss, wer «Atomstrom – Nein danke!» sagt, auch «Ja zu gewissen Einschnitten in die Natur» sagen. Denn, ohne höhere und viel-leicht auch neue Staumauern, ohne neue Kleinwasserkraftwerke, ohne Windparks und vor allem ohne Solarzellen kann der Atomstrom trotz Ablaufdatum nicht ersetzt werden.
Bruno Stüdle, Redaktionsleiter Berner Oberländer. 05. Februar 2011
Ypsilon verdient, geprüft zu werden
Da müssen einige Grinde(lwalder) arg in ihrem Stolz getroffen worden sein, als die Jungfraubahnen als börsenkotiertes Unternehmen am 5. Juli gezwungenermassen der Öffentlichkeit das Projekt Ypsilon vorstellten, ohne prioritär die Bergschaften eingehend zu informieren. Wie anders ist es zu erklären …
… dass die Bergschaften Itramen und Wärgistal an ihrer Einungs-versammlung vom 12. August mit 81:1 Stimme aufgrund von wenig fundierten Kenntnissen beschlossen haben, dass die Vorstände nicht aktiv am Projekt teilnehmen sollen … ;
… dass die Jungfraubahnen in der Medienmitteilung scharf kritisiert und mit gerüchtehalber verbreiteten Drohungen diskreditiert worden sind …;
… dass amDienstagabend keiner der Bergschafter im vollen Kongresssaal in Grindelwald den Mut hatte, die Vorwürfe zurückzunehmen oder aber den Anliegen der Bergschaften Nachdruck zu verleihen?
Das Vorgehen der mit Jahresbeiträgen von über einer halben Million Franken von den Bahnen verwöhnten Bergschaften birgt das Risiko, dass ein weitsichtiges und erfolgversprechendes Projekt beerdigt werden muss, bevor es überhaupt näher auf seine Vor- und Nachteile geprüft werden konnte. In Zusammenhang mit den Überlebenskämpfen anderer Berg-bahnen im Oberland ist das beschämend und – Verzeihung für den Ausdruck – schnäderfrääsig! Andernorts würde man sich die Finger lecken, wenn eine Bergbahn Dutzende Millionen Franken in die Zukunft der Region investieren würde – notabene ohne dass die Gemeindenmitbezahlen müssen.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 28. August 2011
Oberländerinnen und Oberländer wählen Oberländerinnen und Oberländer
Das Berner Oberland (inklusive Stadt Thun) hat derzeit gerade mal vier Volksvertreter im Nationalrat. Das heisst, der Kantonsteil, der gut ein Fünftel der Bevölkerung stellt, kann nur mit knapp 15,4 Prozent der 26 bernischen Sitze in der eidgenössischen Politik mitreden. Nach der Wahl vor vier Jahren sah das Bild zwar etwas besser aus: Mit den vier damaligen SVP-Leuten Adrian Amstutz (Sigriswil), Erich von Siebenthal (Gstaad), Hansruedi Wandfluh (Frutigen) und Ursula Haller (Thun) sowie dem EVP-Mann Walter Donzé aus Fruti-gen kam das Oberland zum Le-gislaturauftakt auf 19,2 Prozent der bernischen Sitze. Während der Legislatur ging durch Ro-chaden aber der wichtige Sitz verloren – die Verteilung hat sich innerhalb der bürgerlichen Par-teien verschoben (vergleiche Be-richt auf dieser Seite).
Mindestens diesen Sitz müsste das Oberland in der neuen Legislatur wieder zurückholen. Damit das möglich wird, müsste sich aber das Wahlverhalten auch im Oberland ändern. Ein Blick auf die Wahlanalyse vor vier Jahren zeigt folgendes Bild: Die damaligen Oberländer Amtsbezirke (heute Ver-waltungskreise) gaben wie in fast allen übrigen Ämtern imKanton in erster Linie der SVP Stimmen – zwischen 37,8 (Interlaken) und 58 (Saanen) Prozent. Insgesamt erhielt die SVP in ihrer Hochburg Oberland 44,9 Prozent der Stimmen. Daran muss sich nichts ändern – es darf aber. Die SP erreichte 14,5 Prozent der Stimmen, gefolgt von der FDP (13,1 Prozent), den Grünen (8,8), den kleinen Rechtsparteien (9,1), der EVP (5,4), der CVP (2,8) und den Übrigen (1,4).
Nicht-SVP-Wählerinnen und -Wähler haben es demnach in der Hand, ob neben SVP-Leuten auch andere und damit mehr Oberländerinnen und Oberländer den Sprung in den Nationalrat schaffen: Für sie gilt es, die Kräfte über die Parteigrenzen hinweg auf die aussichtsreichsten übrigen Kandidatinnen und Kandidaten zu bündeln. Konkret heisst das, den «leeren Wahlzettel» mit der favorisierten Partei bezeichnen (die Anzahl Listen-stimmen ist entscheidend für die Anzahl Sitze einer Partei) und darauf nur Oberländer Namen mit Chancen schreiben, die dafür je zweimal!
Nicht ganz leicht zu beurteilen ist, wer neben den Bisherigen im Oberland Chancen hat, gewählt zu werden. Von der SVP dürften das Samuel Graber (Horrenbach), Albert Rösti (Uetendorf ) oder Gerhard Fischer (Meiringen) sein. Bei der SP könnten Christoph Ammann (Meiringen), Patric Bhend (Thun) oder eventuell auch Sabina Stör Büschlen (Interlaken) in die Kränze kommen. Bei der FDP wird man froh sein, wenn Peter Flück wiedergewählt wird. Bei den Grünen hat Christine Häsler (Burglauenen) eine kleine Chance, ebenso Jürg Grossen (Frutigen) bei den Grünliberalen. Und bei der BDP haben Peter Eberhart (Erlenbach) oder Enea Martinelli (Matten bei Interlaken) nicht schlechte Karten.
Keine Chancen auf einen Oberländer Sitz werden die sogenannten Listen- füller der grossen Parteien und die Kleinparteien haben: Die drei mittler- weile fast traditionellen christlichen Sitze von EVP, EDU und CVP dürften wieder mit den bisherigen Nichtoberländern besetzt werden, und von einem Sitzgewinn ist in diesem Spektrum nicht auszugehen. Sinnlos ist es, Oberländer Stimmen an Exoten (Tierpartei, Piratenpartei) und Parteien der extremen Linken oder Rechten zu vergeuden.
Letzteres mag zwar arrogant klingen, entspricht aber der Realität. Trotz-dem gilt es den Listenfüllern – ob bei den kleinen oder grossen Parteien – einen Dank auszusprechen. Zusammen mit den vielen freiwilligen Helfer-innen und Helfern in den lokalen Parteisektionen leisten sie im Vorfeld der Wahlen zig Stunden Fronarbeit, ohne die es auch Topkandidatinnen und -kandidaten kaum ins Parlament schaffen würden.
Auch um diesen Einsatz zu würdigen, wäre es wichtig, dass möglichst alle Wahlberechtigten ihr Wahlrecht nutzen und dieses nicht mit der faulen Ausrede «Die z Bärn mache sowieso, was si wei» fallen lassen. Denn: Soll-ten «Die z Bärn» das wirklich tun, dann bitte möglichst aus Oberländer Sicht.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 24. September 2011
Starke Zeichen aus dem Oberland
Oberländerinnen und Oberländer haben bei den Nationalratswahlen star-ke Zeichen gesetzt: sowohl die Wählenden – die Wahlbeteiligung lag immerhin bei rund 50 Prozent – als auch die Kandidierenden. Vier Männer und eine Frau schafften es in die Top Ten des Kantons – Adrian Amstutz (1.) und Erich von Siebenthal (3.) sogar aufs Podest. Mindestens fünf (falls Amstutz in den Ständerat gewählt wird) statt wie bisher vier Personen werden das Oberland im Nationalrat vertreten – was ziemlich genau dem Bevölkerungsanteil des Oberlandes im Kanton entspricht.
Allen weit voraus räumte die SVP im Oberland ab. Die Partei erreichte hier Wähleranteile zwischen 35 (Interlaken-Oberhasli) und sagenhaften 53 Prozent (Obersimmental-Saanen). Vier der acht Berner SVP-Sitze im Nationalrat sind von Oberländern besetzt. Aus lokaler Sicht wird vor allem interessieren, wie sich die vier in der Einwanderungsfrage engagieren werden. Der von der SVP Schweiz geforderte Einwanderungsstopp ist mit dem Bedarf der wichtigsten Wirtschaftszweige im Oberland – Tourismus, Landwirtschaft, Gast- und Baugewerbe – an günstigen Arbeitskräften aus dem Ausland eigentlich nicht zu vereinbaren.
Um ganz andere Probleme werden sich die Oberländer Sektionen der SP und der FDP kümmern müssen. Den Sozialdemokraten fehlen im Oberland die starken Köpfe, um auf nationalem Parkett eine Rolle spielen zu können. Das Schicksal des abgewählten FDP-Mannes Peter Flück zeigt aber, dass starke Persönlichkeiten alleine nichts nützen, wenn sich die Mutterpartei um klare Ziele drückt.
BDP und Grünliberale gehören auch im Oberland zu den Siegern. Die BDP ist hier mit einem Wähleranteil von 15,8 Prozent neu zweitstärkste Partei – und mit der jetzt korrekt vom Volk gewählten Ursula Haller in Bern ver-treten. Für die Überraschung aus lokaler Sicht sorgte aber Jürg Grossen: Dass das Oberland erstmals einen «Grünen» nach Bern schickt, hat ver-mutlich damit zu tun, dass der Frutiger eben grünliberal und nicht stur grün politisiert.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 25. Oktober 2011
Das Schweigen wirkt suspekt
Mit der spektakulären Fahndungsaktion inklusive Maschinenpistolen und Strassensperren sorgte die Polizei Mitte Juli dieses Jahres für grosses Aufsehen und zugleich für die ersten Gerüchte: Weil die Untersuchungs-behörden nicht öffentlich kommunizierten, was Sache ist, berichteten die Boulevardmedien prompt über ein «geheimnisvolle Jagd nach einem Topterroristen».
Während der ersten Tage einer solchen Aktion kann man ja verstehen, dass die Untersuchungsbehörden aus «ermittlungstechnischen und polizeitak-tischen Gründen» nicht mehr sagen können. Heute aber, nachdem der Ge-suchte die Polizei fast drei Monate lang an der Nase rumgeführt hat und man weder an dessen Gefährlichkeit noch an irgendwelche Polizeitaktik wirklich glauben mag, wäre es angebracht, wenn die Behörden der Öffent-lichkeit erklären würden, für was sie in diesem Fall – vermutlich nicht zu knapp – Steuergelder ausgegeben haben.
Das Schweigen der Behörden – nicht nur der Polizei – wirkt angesichts der Geschichte, die der gesuchte Hugo Piller zu erzählen hat, suspekt. Klar müs-sen die Behörden den Datenschutz und die Amtsgeheimnisse einhalten. Wenn aber selbst unverfängliche Allgemeinfragen auf allen Ebenen abge-blockt werden, wird man das Gefühl nicht los, dass die Behörden unter ei-nem Erklärungsnotstand leiden – vielleicht weil die Polizei einen wenig vertrauenerweckenden Einsatz oder die Gerichtsbehörden Verfahrens-fehler vermelden müssten?
Falls aber alles seine Richtigkeit hat, würde eine klare Kommunikation nicht nur die Zweifel gegenüber den Behörden ausräumen, sondern möglicherweise auch die Vorwürfe von Piller gegen die alten und neuen Résidence-Besitzer entkräften.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 08. Oktober 2011
Ein Sieg der Vernunft
Von den beiden aussichtsreichen Ständeratskandidaten aus dem Berner Oberland hat die Wahl nur einer geschafft: Werner Luginbühl, der stille, mehrheitsfähige Sachpolitiker aus Krattigen, wurde vom Bernervolk mit einem Glanzresultat wiedergewählt. Dem Sigriswiler Adrian Amstutz hingegen reichten die Sympathien, die er im Oberland und in seiner SVP geniesst, nicht für die Wiederwahl. Die klare Abwahl ist nicht als Nieder-lage des Oberlandes oder als Niederlage von Land gegen Stadt zu werten, sondern vielmehr als Sieg des 71 Prozent grossen Nicht-SVP-Volkes im Kanton Bern.
Die Wahl des Bewährten, auch für Linke und Grüne vernünftig politisie-renden Bürgerlichen Luginbühl und des wirtschaftsfreundlichen und krisenerprobten Linken Hans Stöckli ist nichts als logisch: Denn für Grüne, Linke und die bürgerliche Mitte ist Hardliner Amstutz schlicht nicht wählbar. Zu offensichtlich sind bei ihm die Einflüsse des rechtspopulisti-schen Zürcher SVP-Flügels erkennbar. Das Berner Stimmvolk hat erkannt, dass diese nicht wirklich lösungsorientierten Einflüsse in einer Standes-vertretung, die mehrheitsfähige Lösungen entwickeln muss, nichts verloren haben.
Adrian Amstutz bleibt der Trost, dass er als bestgewählter Berner National-rat weiter politisieren kann. Dort, in der Volksvertretung, darf er sich durchaus wie bisher pointiert fürs Berner Oberland stark-machen.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 21. November 2011
Konkordanz wäre gut –Vertrauen ist besser
Die Überraschung blieb aus: Die Vereinigte Bundesversammlung hat ges-tern alle zur Wiederwahl angetretenen Mitglieder des Bundesrates wieder-gewählt und mit Alain Berset den logischen SP-Nachfolger für die zurückge-tretene Micheline Calmy-Rey neu in die Landesregierung gewählt. Die Bisherigen – inklusive der Wackelkandidaten Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) und Johann Schneider-Ammann – können ihre ordentliche bis gute Arbeit weiterführen. Ergänzt werden sie durch «Monsieur Parfait» Alain Berset – der 39-Jährige gilt als sachlicher Analytiker, unideologischer Brückenbauer und kluger Diplomat.
Dem neu gewählten Parlament ist es damit gleich zu Beginn der Legislatur gelungen, Vertrauen zu schaffen: Es hat nicht die von der Konkordanz her berechtigten und von der wählerstärksten Partei SVP geforderten Kandidaten Jean-François Rime oder Hansjörg Walter gewählt, sondern die besten zur Verfügung stehenden Personen. Für die Stabilität und Kontinuität des Landes ist dies angesichts der schwierigen bevorste-henden Aufgaben die richtige und nötige Entscheidung.
Am Anspruch der SVP auf zwei Bundesratssitze zweifelt in diesem Land zwar kaum jemand. Dass die Vereinigte Bundesversammlung aber auch gestern keinen weiteren SVP-Kandidaten wählte, hat die Partei in den vergangenen Wochen «selber verbockt», wie es SP-Parteipräsident Christian Levrat treffend kommentierte. In der Tat wird man den Eindruck nicht los, dass die SVP die Wahl nicht seriös vorbereitet hat: Erst drückt man sich bis knapp zwei Wochen vor der Wahl um die Kandidatenkür, dann stellt sich heraus, dass Kronfavorit Bruno Zuppiger im Wissen der Parteileitung in eine unrühmliche Erbschaftsbetrugsaffäre verwickelt ist, und man wechselt ihn kurzerhand mit dem Bauernpräsidenten aus. All das hat nicht wirklich Vertrauen geschaffen – besonders in einer Partei, die sich so leidenschaft-lich für Recht und Ordnung ins Zeug legt.
Die SVP wird zu ihren zwei Bundesräten kommen – aber nur wenn sie den Wähleranteil halten kann, die richtigen Leute ins Rennen schickt und vor allem wenn sie das Vertrauen wiederherstellt.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 15. Dezember 2011
Wer ist schuld am Spital-Debakel?
In Saanenmöser würde seit vergangenem Jahr ein neues Akutspital stehen, die nahe Notfall- und Gesundheitsversorgung wäre in der Region gewähr-leistet, und die Angestellten der Spitäler Saanen und Zweisimmen hätten weiterhin einen Job. So sah es die STS AG im November 2007 vor. Heute ist klar: Es wird höchstwahrscheinlich kein Akutspital geben und auch keine Gesundheitszentren in Saanen und Zweisimmen. 155 begehrte Stellen sind futsch, wer ein gröberes Leiden hat, muss nach Thun oder Bern – ob Notfall oder nicht!
Wer trägt die Verantwortung für dieses Debakel?
Die Spital STS AG kaum. Sie hat mehrere gangbare Lösungsvor-chläge angeboten – sie lagen notabene über den finanziellen Möglichkeiten der AG.
Die rot-grüne Kantonsregierung auch nicht. Sie setzt lediglich um, was die bürgerliche Mehrheit im Parlament fordert: «Weniger Staat, weniger Steuern und mehr Marktwirtschaft.»
Das Volk vor Ort hat sich das Debakel selbst eingebrockt. Es muss auch für die im Obersimmental und Saanenland gern und viel gewählten bürger-lichen Politiker voraussehbar gewesen sein, dass die ehemaligen Spitäler auf Solidarität zwischen stark und schwach basierten. Eine nach privatwirt-schaftlichen Grundsätzen geführte Spital AG dagegen muss unter dem Kostendruck im Gesundheitswesen drastisch rationalisieren. Trotzdem wiegelten sie das Volk zum Protest gegen jeden Vorschlag der STS AG auf.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 24. März 2012
Gratisbratwürste sind okay – Bargeld nicht!
Zwischen 46 und 95 Stimmberechtigte haben die Gemeindeversammlungen (GV) in Wimmis in den letzten Jahren besucht – am 7. Juni 2012 kamen 140! Lags an den Gratisbratwürsten und -getränken, welche die Gemeinde und die Dorfparteien offerierten? Oder lags an den Aufforderungen von Vigier an die Adresse der gesponserten Dorfvereine?
Klar ist, dass Stimmbürgerin Brigitte Gottlieb wegen der Gratiswürste an die GV ging – wie sie gegenüber dieser Zeitung zugab. Vermutlich war sie nicht die Einzige, die dem Lockruf von Gemeinde und Parteien erlegen war. Kontaktpflege mit kleinen Gefälligkeiten auf Niveau von Gratiswürsten oder FC-Thun-VIP-Tickets oder auch einem Nachtessen für den Burgerrat sind gang und gäbe. Solche Zückerchen gehören hierzulande gewisser-massen zum Akt der Höfflichkeit, wenn Interessenvertreter für ihre Sache lobbyieren wollen und dabei Zeit und Aufmerksamkeit der Beschenkten beanspruchen.
Nicht von Lobbying, sondern von Bestechung spricht man, wenn Inte-ressen mit Bargeld durchgeboxt werden. Genau das versuchte der Chef der Vigier in Wimmis offenbar, indem er der Dorfmusik pro Mitglied, das an die GV geht, 25 Franken anbot und andere Vereine mit dem Verweis aufs Sponsoring um Ja-Stimmen bat. Der Gemeindepräsident findet das Vor-gehen ungeschickt – ich finde, es geht nicht. Wer recht hat, wird hoffentlich dank Frau Gottlieb die Justiz zu beurteilen haben.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 25. Juni 2012
Sponsert doch die Feuerwerke des Volkes …
Ich liebe Feuerwerke – je grösser und je lauter, desto besser. Aber: «Feuer-werkeln» muss gesetzlich geregelt werden, da spielt mein Befinden und das von manch anderem heimlichem Pyromanen keine Rolle. Zu gross sind die Lärmemissionen für Menschen und vor allem für Tiere; zu gross ist die Schadstoffbelastung der Luft. Thun hat diese Zeichen der Zeit erkannt und ein Feuerwerksverbot für Private erlassen; in Spiez «arbeitet» man daran (vergleiche Kasten Polizeireglement Spiez).
Die Wirkung der Verbote ist bei den Reichen gleich null – das zeigen die Beispiele der Geburtstagsfeier mit Feuerwerk für Christian Gross über Thun vor acht Jahren und des Feuerzaubers vom Montag über der Spiezer Bucht: Wer genug Geld hat und die «richtige» Amtsstelle um eine Bewilligung er-sucht, kann ungeniert im grossen Stil losballern. Gebüsst werden höchstens die kleinen und grossen «Zeuslibuben», die heimlich ein paar Knallpetar-den zünden.
Für ein Kantons- oder noch besser ein Bundesgesetz besteht deshalb dringender Bedarf: Grosse Feuerwerke sollten nur noch von offizieller Seite gezündet werden dürfen – am 1.August, über Neujahr und natürlich auch am Seenachtsfest in Spiez oder am Thunfest. Bei Letzterem fällt das Feuer-werk notabene heuer aus, weil den Organisatoren das Geld fehlt, und auch die Spiezer müssen jeweils jeden Rappen zusammenkratzen.
Das wäre doch die Gelegenheit für all die Gutbetuchten, die ihr Fest mit einem Feuerwerk verzaubern wollen: Legt das Geld zusammen und spon-sert die Volksfeuerwerke rund um den Thunersee …
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 25. Juli 2012
Simmentaler Gemeinden laden zur einseitigen Landsgemeinde gegen die Steuerinitiative
Die gestern auf der Redaktion eingetroffene Einladung zur öffentlichen «Oberländer Landsgemeinde» liest sich so, als würde am kommenden 16. August in Wimmis eine neutrale Informationsveranstaltung zur kantonalen Initiative «Faire Steuern – für Familien», welche am 23. September zur Ab-stimmung kommt, abgehalten: «Am Anlass werden die Initiative und der Gegenvorschlag und deren Auswirkungen von verschiedenen Seiten beleuchtet. Wir sind überzeugt, dass die Veranstaltung sehr informativ und aufschlussreich sein wird. Ein Besuch lohnt sich» und Aufklärung tue dringend not, schreibt St. Stephans Gemeindeverwalter Beat Zahler im Auftrag der Simmentaler Gemeinden Wimmis, Diemtigen, Därstetten, Boltigen, Zweisimmen, St. Stephan und Lenk.
Die Landsgemeinde steht notabene unter dem Patronat der sieben Gemeinden. Am Rednerpult der Informationsveranstaltung werden trotzdem nur Initiativgegner für «Aufklärung sorgen»: Die Begrüssung und die Verabschiedung besorgt SVP-Gemeinderatspräsident Christian von Känel aus Zweisimmen. SVP-Gemeinderatspräsident Peter Schmid aus Wimmis macht dann den «Aufruf zur Solidarität unter den Gemeinden». Fürsprecher Toni Amonn aus Bern spricht zum Thema «Was will die Initiative – was will der Gegenvorschlag». Als Dozent der Uni Bern – sein Spezialgebiet ist laut «Wochenzeitung» der «steuerlich motivierte Domizil-wechsel von Privatpersonen» – wird er wissen, wovon er spricht; und warum er zum Thema spricht, weiss der Verwaltungsrat der Berner Kanzlei Relocation Switzerland auch: Die Kanzlei ist auf Pauschalbesteuerungen spezialisiert. Amonn tritt übrigens als Vertreter der «IG Arbeitsplätze im Berggebiet – pro Pauschalbesteuerung» auf.
Deren Präsident, Hans Wanzenried – übrigens einer der führenden Gstaader Bauunternehmer –, lässt sich über das Thema «Wirtschaftskraft und Entwicklungspotenzial im Oberland erhalten» aus. Darüber wüsste sicher auch SVP-Nationalrat Hansruedi Wandfluh aus Frutigen viel Interes-santes zu berichten. Der Unternehmer spricht aber zum Thema «Pauschalbesteuerung in der Schweiz – wohin?
Wer jetzt meint, dass am Schluss der «aufklärenden Landsgemeinde» ein Gewerkschafter oder sonst ein «Linker» oder ein «Netter», oder gar ein schlecht verdienender Familienvater mit aufklären könnte, wird ent-täuscht. Das Schlussvotum wird Susanne Huber (SVP) aus Meiringen haben. Die Geschäftsführerin Volkswirtschaft Berner Oberland spricht zur «He-rausforderung für Gemeinden im Berner Oberland».
Apropos «Herausforderung» – eine solche könnte die in der Medienmitteilung als Tatsachen aufgeführten Behauptungen bei möglichen Initiativbe-fürwortern bedeuten: «Die von Gewerkschaften lancierte Initiative will nebst der Erhöhung der Steuern eine Abschaffung der Pauschalsteuer (Aufwandbesteuerung) und entzieht damit rund 2000 Familien im Berg-gebiet die wirtschaftliche Existenzgrundlage», steht da etwa – oder: «Die Pauschalsteuer ist keine ungerechte Steuer.»
Wer sich also möglichst einseitig über die Initiative informieren lassen will, kann das am Donnerstag, 16. August, 20 Uhr, im Singsaal Chrümig in Wimmis tun. Alle sind «herzlich eingeladen». Der Eintritt ist frei – eine Platzreservation nicht möglich. Die Türen werden aber ab 19 Uhr geöffnet, und das Schwyzerörgeliquartett Arisgruess wird die Wartezeit verkürzen und für die dem Anlass entsprechende Unterhaltung sorgen.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 25. Juli 2012
1:0 für die Oberhasler
«Bereden und neu überdenken»: Das forderte der «Berner Oberländer» vor zwei Wochen. Der Aufruf in Zusammenhang mit der geplanten Sparmassname «Spätere Öffnungen der Pässe Susten und Grimsel» hat den Kontrahenten überraschend schnell die Augen geöffnet: Vor Wochenfrist zeigte sich Regierungsrätin Barbara Egger bereit, das versäumte Gespräch mit einer Delegation aus dem Oberhasli nachzuholen. Und sie versprach im BO: «Irgendeine Lösung werden wir sicher finden.» Gestern hielt die Bau-, Verkehrs-und Energiedirektorin Wort: Sie einigte sich mit der Delegation auf die unerwartete, aber erfreuliche Lösung, dass an der bisherigen Passöffnungspraxis nichts geändert wird.
Die Alpenrosen gebühren aber den Oberhaslern: Sie haben sich zu Recht und vor allem mit den richtigen Mitteln für ihre Sache gewehrt – nicht mit Vorwürfen und Verunglimpfungen, sondern mit sachlichen und konstruk-tiven Lösungsvorschlägen und auch mit einem eigenen finanziellen Effort.
Andere kantonskritische Oberländer sollten sich dieses Vor-gehen merken! Die Oberhasler haben all jene Lügen gestraft, die den Stadt-Land-Graben bei jedem Sparentscheid ins Feld führen. Die Oberhasler haben fürs Land 1:0 vorgelegt – die Städter stehen jetzt unter Zugzwang: zum Beispiel wenns um Spitäler, ÖV oder Bildung geht.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 01. Februar 2013
Engagement ist gut, aber …
Dass sich Grossrätinnen und Grossräte für ihre Region starkmachen, ist löblich löblich – die Wählerschaft erwartet das! Dass sich Grossrätinnen und Grossräte – gerade im Kanton Bern – fürs Sparen starkmachen, ist zwingend – das Steuervolk erwartet das!
Einer, der sich diesem Spagat stellt, ist Thomas Knutti, SVP-Grossrat aus Weissenburg. Sein grosses Engagement für die Region Simmental-Saanen-land und für eine gesunde Staatskasse verdient grossen Respekt – im Prinzip.
Aber: Wenn sich ein Grossrat im Kantonsparlament derart konsequent und zuweilen nicht immer mit sachlich korrekten Argumenten fürs Sparen einsetzt, muss er ebenso konsequent die Folgen mittragen – auch wenn sie Dienstleistungen in seiner Region betreffen. Sonst wird seine Politik unglaubwürdig.
Im konkreten Fall des Winterdienstes wäre die günstigste und sicherste Lösung gemäss nationalem Gesetz ganz banal: «Die Fahrweise den Strassen-verhältnissen anpassen.»
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 08. Januar 2013
Zum Unwohl der Tiere …
… haben Tierschützer den Kurs «Kleintierschlachten» im Kurszentrum Ballenberg gebodigt. Darüber berichtete das «Regionaljournal Bern Freiburg Wallis» von Radio SRF am Mittwoch. Die private Stiftung hat den zwar nicht alltäglichen, aber gesetzeskonformen und professionellen Kurs für das schmerzfreie Schlachten – die Tiere werden vor dem Töten betäubt – von kleinen Nutztieren wie Kaninchen und Hühnern seit einigen Jahren mit grossem Erfolg angeboten: Der Kurs, der sich explizit an Kleintierzüchter wendet, war fast immer ausgebucht. Das war auch der nächste, der am 8. und 9.November ausserhalb des Museumsgeländes und aus-serhalb der Saisonöffnungszeiten hätte stattfinden sollen. Er wurde jetzt abgesagt. Man werde das Thema erst wieder aufnehmen, wenn sich die Aufregung gelegt habe, sagte Adrian Knüsel, Leiter des Kurszentrums, gegenüber dem Radio.
Für besagte Aufregung hatte der Bericht unter dem Titel «Schlachten für Anfänger» im «Blick» Ende Juni dieses Jahres gesorgt. Die ziemlich oberflächlich recherchierte Story füllte das erste Sommerloch im Boulevardblatt und auch in den Westschweizer Medien – und sie rief vor allem die Fundis unter den Tierschützern bis weit über die Landesgrenzen hinaus auf den Plan: Binnen vier Wochen sammelten sie 5000 Unter-chriften gegen den Kurs und erhielten auch gleich politischen Sukkurs: Wie die Zeitung «Le Matin» berichtet, habe der Lausanner Stadtpräsident, ehemalige Nationalrat und Mitunterzeichner Daniel Brélaz (Grüne) beim Ballenberg-Stiftungsratspräsidenten Yves Christen (Ex-Stapi von Vevey) interveniert – ganz offensichtlich erfolgreich.
Weniger erfolgreich dürfte die Aktion für die Kleintiere selber sein: Statt dass Hobbyzüchter lernen, wie sie Chüngel, Hühner & Co. fachgerecht und schmerzfrei schlachten können, droht den armen Geschöpfen womöglich weiterhin ein qualvolles Ende mit Beil und Schytbock.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 16. August 2013
Fakten vergessen
«Wer die Spitalstandortinitiative bekämpft, will das Spital Zweisimmen schliessen oder nimmt dessen Schliessung in Kauf.» Mit dieser Behauptung rührte der Belper SVP-Nationalrat Rudolf Joder jüngst auch in Zweisimmen die Werbetrommel für die kantonale Spital-standortinitiative. Der Co-Präsident des Initiativkomitees
«Riggisberg ist überall» zieht derzeit mit lokal wechselnden Parteifreunden durch den Kanton, um gegen beschlossene und befürchtete Schliessungen von Spitälern mobilzumachen (wir berichteten mehrmals).
An der Medienkonferenz im Beinhaus wurde Joder von Zweisimmens Gemeinderatspräsidentin Anne Speiser, auch Co-Präsidentin des Initiativkomitees, sowie von Grossrat Thomas Knutti (Präsident IG Spitalver-orgung Simmental-Saanen-land) aus Weissenburg unterstützt. Gemäss Medienmitteilung versprach das SVP-Trio – andere Parteien oder Exponenten waren notabene nicht vor Ort –, «die Fakten um und zum Spital Zweisimmen darzulegen». Wie es zu erwarten war, brachten die angekündigten Fakten in der Substanz nichts Neues an den Tag. Der BO blieb der Medienkonferenz deshalb fern – schliesslich sind wir ja um eine objektive Berichterstattung bemüht. Wir bestellten aber die Mediendokumentation.
Daraus geht hervor, dass Anne Speiser wie gewohnt gegen die Spital STS AG und deren allgemein bekannte Defizitberechnungen (wir berichteten – öf-ters!) wetterte. Offenbar hat sie zwar gesagt, dass «der Bergregion ganz andere Zahlen vorge-^legt worden sind». Die Fakten zu diesen höchst interessanten Zahlen hätten wir hier gerne als Argument für die Initiative aufgeführt. Offensichtlich gingen sie aber in der sonst sehr ausführlichen Mediendokumentation vergessen.
Auch Grossrat Knutti präsentierte trotz sehr langer Rede keine neuen Fakten. Dafür tat er gründlich seine Meinung kund und unterstrich seine Kompetenz in der Sache unter anderem mit dem Verdacht, dass die Chefin des Spitalamts als Verfechterin von Zentralisierungen einen zu grossen Einfluss auf den Regierungsrat habe und somit für unseren «demografi-schen Kanton» untauglich sei.
Auch wenn es keinen Sinn ergibt, bei einem derart intelligent tönenden Argument wundert es einen nicht, wenn Politiker wie Thomas Knutti Stimmung ins Volk bringen können.
Wer sich nämlich nicht eingehend mit solch komplexen Ge-chäften wie der Spitalpolitik auseinandersetzt, weiss vermutlich auch nicht, dass Knutti und seine SVP-Kolleginnen und -Kollegen im Grossen Rat und fernab vom (ober)ländlichen Raum konsequente Sparpolitik betreiben. Das ist ein Faktum, das in Zweisimmen auch vergessen ging. Ebenso, dass deswegen unter anderem Spitäler geschlossen werden, Strassen im Winter weiss bleiben, Schulen in den Städte zentralisiert werden und unmenschliche Sparübungen bei Behindertenheimen drohen.
Nur ein Verdacht ist dagegen, dass Knutti und auch andere SVP-Grossräte die Sparübungen in Bern anzetteln, damit sie sich vor ihrer Wählerschaft daheim auf dem Land als Retter in der Not aufspielen können.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 18. Oktober 2013
Umschwung? Umschwung!
«UmSchwung». Mit diesem Schlagwort ziehen SVP, BDP, FDP und EDU in den Kampf, um die vor acht Jahren verlorene Mehrheit in der Kantonsregierung zurückzuerobern. Es gehe darum, die «Cohabitation»* zwischen rot-grün dominierter Regierung und dem bürgerlich dominierten Kantonsparlament zu beenden, erklärten die Bürgerlichen an ihrer Pres-sekonferenz zum Wahlkampfauftakt. Sie – die «Cohabitation» – verlangsame und verteuere die Entscheide im Kanton, argumentierte BDP-Regierungsrätin Beatrice Simon. Und Kollege Hans-Jürg Käser von der FDP stellte fest, dass dieser – der Kanton – vor grossen Herausforderungen stehe und es da kein ständiges politisches Seilziehen leiden möge.
Wie recht die Bürgerlichen haben. Die parteipolitischen Zwängereien zwischen dem gesetzgebenden Parlament und der ausführenden Regierung lässt den einst stolzen Kanton Bern zu einem von Lobby- und Egoisten dominierten Spar-und Geizstaat innerhalb einer der reichsten Nationen der Welt verkommen. Den vorläufigen Tiefpunkt setzten sie mit ihren aufs Sparen fixierten Nulllösungen in der peinlichen Debatte um die Angebots- und Strukturüberprüfung im vergangenen November.
Umschwung tut also dringend Not – aber vielleicht nicht zwingend so, wie er in den Köpfen der SVP, BDP, FDP und EDU rumgeistert. Schliesslich waren es die bürgerlich dominierten Regierungen mit den bürgerlich dominierten Parlamenten, welche in den 1980er- und 1990er-Jahren ein Defizit von rund 11 Milliarden Franken «anhäuften». Das vergisst man vor allem bei der SVP und der FDP oft und gerne. Und dieser Verdrängungsmechanismus in heiklen Situationen hat System: Im aktuellen Wahlkampf spielen sie sich unter anderem damit auf, sie hätten das Bildungszentrum-Pflege in Thun und die Schlossbergschule in Spiez gerettet, die «schädlichen Sparmassnahmen im Alters- und Behindertenbereich» verhindert oder sich für den Winterdienst oder gegen Spitalschliessungen gewehrt. Das haben sie tatsächlich, aber erst nachdem sie merkten, was sie mit ihren ständigen Sparbeschlüssen gegen den Willen der Regierung und der Rot-Grünen im Parlament bewirkt hatten.
Item – ob der Umschwung bürgerlich oder rot-grün sein soll, ist gar nicht so wichtig. Relevant für den Kanton und das Volk ist, dass sich die grosse Mehrheit in der Regierung und im Parlament aus sachlich, verantwortungsbewusst, innovativ und respektvoll denkenden und handelnden Frauen und Männern zusammensetzt. Leute, die das Gesamtinteresse und sowohl das soziale als auch das wirtschaftliche Wohlergehen des Kantons und nicht ihr Gärtchen im Fokus haben. Ein Par-lament und eine Regierung also, die dem Volk erfolgsversprechendere Perspektiven bieten, als nur nicht mehr Steuern zahlen zu müssen. Nebenbei: Solche Leute hätten dann auch mehr Lohn verdient.
Damit dieser Umschwung erreicht werden kann, ist dreierlei wichtig: Erstens muss das Wahlrecht genutzt werden – im Jahre 2010 wählten nur rund 34 Prozent der Oberländerinnen und Oberländer ihre Vertretung in Bern.
Zweitens sollten sich Wählerinnen und Wähler eingehender über die Stärken und Schwächen der wählbaren Personen und die möglichen Folgen ihrer Wahl ins Bild setzen. Möglich wäre das etwa anhand der Kandidaten-Interviews, welche der «Berner Oberländer» seit dem 1. Februar und noch bis am 15. März täglich veröffentlicht. Oder mit Hilfe der Online-Wahlhilfe www.smartvote.ch und der Internetseite des Grossen Rates www.gr.be.ch, auf der sämtliche Taten und Untaten der Bisherigen in den Sitzungsprotokollen oder unter den Vorstössen zu verfolgen sind.
Und drittens könnte es für viele Oberländerinnen und Oberländer auch ratsam sein, wenn sie bei der Auswahl ihrer Vertretung in Bern berücksichtigen, wie sich die Sparbeschlüsse für sie konkret auswirken können. Im Grossteil der Oberländer Gemeinden bewegt sich der Anteil der sogenannt «armen Steuerpflichtigen» zwischen 23 und 100 Prozent. Viele von ihnen werden künftig höhere Gebühren und Steuern bezahlen; Prä-mienverbilligungen, staatliche Dienstleistungen vor Ort und vielleicht auch ihren Job – im Gesundheitsbereich oder in Unterhaltsdiensten etwa – verlieren. Das droht zwar im ganzen Sparkanton, aber im Oberland ganz besonders!
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 01. März 2014
*Cohabitation (frz., «Zusammenleben») ist laut Wikipedia ein politikwissenschaftlicher Begriff, der eine Besonderheit des politischen Systems der V. Französischen Republik umschreibt. Er bezeichnet eine Situation, in welcher der Staatspräsident und der Regierungschef entge-gengesetzten politischen Lagern angehören und dem Präsidenten damit keine eigene Mehrheit im Parlament zur Verfügung steht.
Spital Zweisimmen braucht Geburtshelfer, keine Totengräber
«Störend ist für mich, dass die heutige Spitalplanung nur noch auf den Profit ausgerichtet wird und der Mensch, der eigentlich bei der Gesundheitsversorgung im Mittelpunkt stehen sollte, erst an zweiter Stelle kommt.» Das Zitat stammt weder von einem Linken noch von einer Netten, sondern von Thomas Knutti! – gezielt verkündet hat er es gestern an der Medienkonferenz in Zweisimmen. Der Grossrat aus Weissenburg ist nicht zur Einsicht gelangt, dass sich die Bedürfnisse der Randregion Simmental-Saanenland weder mit der rigorosen Sparpolitik noch mit dem Ruf nach «mehr Freiheit und weniger Staat» seiner SVP vertragen. Im Gegenteil.
Ohne rot zu werden, fordern Knutti, Neo-SVP-Grossrätin Anne Speiser, SVP-Nationalrat Rudolf Joder und ihre Mitstreiter für die Spitalstandortinitiative von der privatwirtschaftlich organisierten Spital STS AG und vom Staate Bern ein «neues, innovatives Geburtshilfemodell» für das Simmental. Eine Idee dazu präsentierten die selbst ernannten Gesundheitsfachleute trotz seitenlangen Reden, wie erwartet, auch gestern nicht. Mit der angedrohten Blockade riskieren sie zu Totengräbern der Gesundheitsversorgung in ihrem Tal zu werden.
Lösen statt blockieren, das wäre jetzt für die werdenden Mütter aus der Region wichtig – ihr Anspruch auf «Gebären in der Region» ist trotz klammer Staatskasse verständlich und legitim. «Ein neues, innovatives Geburtshilfemodell» braucht es dazu nicht. Mit der Erkenntnis, dass man Gesundheit nicht mit Sparen kaufen kann, und dem nötigen Engagement könnten Knutti und seine Mitstreiter zu Geburtshelfern – warum nicht eines Geburtshauses – werden.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 26. Juni 2014
Leader müssten vermitteln
100 Asylbewerber werden bald in Aeschi einziehen. Dass die Fremden in der Dorfbevölkerung Unbehagen auslösen, ist verständlich; das liegt in der Natur der Sache und der Menschen. Ob das Unbehagen kleiner gewesen wäre, wenn der Migrationsdienst des Kantons Behörden und Bevölkerung vorinformiert hätte, ist fraglich. Sicher ist, dass die Vorinfo weder die unüberlegten Vorurteile und die Hetze gegen die Ausländer verhindert hätte, noch dass diese anderswo platziert würden.
Dass Leaderfiguren diese Hetze noch antreiben, indem sie vorab schon mal rassistische Forderungen wie «Busse und Plätze nur für Einheimische» fordern, ist ein absolutes No-Go. Politiker(innen) müssen vermitteln – Ängste nicht schüren, sondern abbauen. Warum nicht einen Tag der offenen Tür organisieren, sobald die 100 eingezogen sind? Wenn man offen ist, werden aus Fremden oft Bekannte – und gute Bekannte tun sich in der Regel nichts zuleide.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 07. Oktober 2014
Nichts sagen ist nicht zielführend
Nach den emotionsgeladenen Diskussionen um das V-Projekt erstaunt es nicht wirklich, dass die Bergschaft Wärgistal den Baurechts- und Dienstbarkeitsvertrag mit den Jungfraubahnen ablehnt. Das Nein ist rechtens und deshalb zu akzeptieren – vorerst!
Schwer zu akzeptieren ist, dass die Bergschafter die brennende Frage nach dem Warum nicht beantworten. Sind es hehre Gründe, wie die Sorge um die Natur oder die Zweifel am überbordenden Wachstum? Geht es um eine Machtdemonstration gegen die Jungfraubahnen, oder will man einfach noch mehr Geld aus dem Vertrag rausholen?
Angesichts der Tragweite des Projekts für Grindelwald und die ganze Region ist die Geheimniskrämerei nicht zielführend. Wenn die Stimmbürger an der Gemeindeversammlung in einer Woche objektiv über das V-Projekt befinden sollen, müssen sie wissen, was für die Bergschaft Wärgistal Sache ist.
Stechen die Argumente der Bergteiler und sagt das Volk Nein zum V-Projekt, sind die Jungfraubahnen gefordert, einen Plan B vorzulegen. Sagt das Stimmvolk aber Ja zum V-Projekt, sind die Wärgistaler gefordert: Trotz ihrer uralten «Kuhrechte» müssten sie dann Hand für Neuverhandlungen und eine neue Abstimmung über den Baurechts- und Dienstbarkeitsvertrag zur V-Bahn bieten.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 17. Oktober 2014
Wertvoller Strom hat seinen Preis
Im Kanton Bern bezahlen wir nicht nur für Steuern deutlich mehr als der Schweizer Durchschnitt; auch für den Strom zahlen wir – und beson-ders wir Oberländerinnen und Oberländer – mehr als andere im Lande. Neben anderen Service-Public-Ausgaben birgt auch das Geschäft mit der Energie für uns Konsumenten zunehmend Aufregerpotenzial.
Aber Vorsicht: Wer jetzt vor lauter Panik ums liebe Geld nach dem freien Strommarkt schreit, ist gut beraten, die Geschichte differenzierter zu betrachten: Vieles, was in den vergangenen Jahren billiger hätte werden sol-len, ist gerade in der Randregion Berner Oberland oft teurer geworden oder gar nicht mehr zu haben. Denken Sie an den einst gut funktionierenden und eigentlich günstigen Service Public der PTT, des ÖVs, im Strassenunterhalt und vor allem an die Bildungs- und Stellenan-gebote der Bundes- und Kantonsbetriebe – sie reichten notabene ohne Aufpreis bis zuhinterst in die engen Täler.
Die Liberalisierer wollen uns wie immer, wenn es um die Privatisierung des Service Public geht, schmackhaft machen, dass mit der vollständigen Marktöffnung alles besser und vor allem billiger wird. Aus Sicht der Grossunternehmen mag das sogar stimmen. Fakt ist allerdings gemäss einem Vergleich der «Tagesschau» von SRF, dass in den grossen EU-Staaten die Strompreise nach der Liberalisierung des Strommarktes am 1. Juli 2007 für Durchschnittshaushalte um satte 37,5 Prozent gestiegen sind. Und in Deutschland, wo der Strommarkt schon 1998 geöffnet worden ist, stieg der Preis pro Kilowattstunde von damals 17 auf heute knapp
29 Cent – der durchschnittliche Strompreis im Geiz-ist-geil-Land liegt aktuell also rund 4 Rappen über dem Strompreis in Lauterbrunnen!
Der Lauterbrunner Strom ist seinen Preis alleweil wert: Die Kundschaft unter dem Weltnaturerbe erhält dafür eben nicht billigen, sondern in vielerlei Hinsicht günstigen, nachhaltigen Strom aus heimischer Produktion: Er ist ökologisch unbedenklich, fliesst garantiert auch in abgelegene Haushalte und sichert der Berggemeinde auch 60 wert- und an-spruchsvolle Arbeitsstellen sowie 6 bis 10 Ausbildungsplätze.
Bruno Stüdle, Chefredaktor Berner Oberländer. 09. Oktober 2015